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Das Jagdhaus

  • Josef Romir
  • 30. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Okt.

Davor: Flaschenwirt

Heute: Familie Karin und Georg Ways, Moosinning, Dorfstraße 14

Früher: Moosinning, Haus Nr. 44


Aufnahme Frühjahr 2024
Aufnahme Frühjahr 2024

Erklärung: „Jagdhaus“: Hauser Albert (siehe 1924) war Jagdpächter. Ihm diente das Wohnhaus als Jagdhaus.

Von 1913 bis 1924 wurde eine Flaschenbierhandlung durch Josef Wandinger betrieben, daher „Flaschenwirt“.


Der ersten bekannte und dokumentierte Besitzer des Hauses war laut Staatsarchiv München, Umschreibkataster im Jahre 1912 der Wandinger Josef. Er erwirbt von Graßl Michael und Maria einen Bauplatz auf der Flur Nr. 476.

Im Jahre 1921 sind dann als gemeinsame Eigentümer der Wandinger Josef und Anna eingetragen. Im selben Jahr erfolgte ein Totalneubau.

1924 wurde das Haus von dem Weingutbesitzer und Jagdpächter Hauser Albert um 12.000 Mark gekauft. Hauser, der das Gebäude als Jagdhaus benutzte, modernisierte es grundlegend. Er ließ eine Wasserleitung legen, richtete ein Jagdzimmer ein und errichtete im 1. Stock ein gefliestes Bad mit Wasserklosett und Badewanne, was für die damalige Zeit zumindest in der Moosinninger Gegend außergewöhnlich war. Außerdem ließ er von einem Künstler auf der Südseite des Hauses fünf Fresken mit Tiermotiven über den Fenstern und der Eingangstüre anbringen.

Das Jagdhaus, Familie Georg und Karin Ways, Aufnahme von 1936
Das Jagdhaus, Familie Georg und Karin Ways, Aufnahme von 1936

1933 ging das Haus durch Zuschlagsbeschluss (also im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens) an Stern Max, einem Weingroßhändler aus Kitzingen für 16.000 Mark. Der Jude Stern hatte Besitzungen in Kitzingen, Augsburg, München und eben „bei“ München. Nachdem dieses Gebäude für ihn jedoch zu abgelegen war, bot er es einigen Personen zum Kauf an, darunter auch dem damaligen Bürgermeister zur Nutzung als Gemeindekanzlei.

Im Jahre 1936 kaufte es schließlich ein Roth Fritz, Fabrikbesitzer aus München, Denninger Straße 86, und noch am selben Tag erfolgte ein Besitzwechsel durch Kauf auf den Architekten Schmidt Karl aus München für 12.000 Mark.

Ebenfalls 1936 ging das Haus dann an die Erbengemeinschaft von Schmidt, bestehend aus:

Herforth Elisabeth, Oberstleutnantsgattin in Ulm,

Andersen Karolina, Architektengattin in Nürnberg,

Schmidt Johanna, Professorstochter,

Schmidt Günther, Kaufmann, Manchester,

Schmidt Dorothea, Professorstochter,

Dr. Dressel Hans, Kaufmann, Sonneberg,

S.K.H. Prinz Johann Georg Herzog zu Sachsen,

Dr. Walch Albert, Diplom Volkswirt, Braunschweig,

Schmidt Friedrich, Ingenieur, Innsbruck,

Hartwig Eva, Sonneberg.


Laut Staatsarchiv München, Umschreibkataster, erfolgte ein Jahr später 1937 der Kauf durch Ways Georg (1912 bis 1944) um 9.000 Reichsmark und 1939 wurde Anna Ways (1921 bis 1942) Miteigentümerin durch Ehe und Ehevertrag.

1942 wurde Ways Georg durch Erbfolge nach dem Tod seiner Ehefrau Alleineigentümer.

Anmerkung: Ways Georg war Fuhrunternehmer und errichtete auf dem Grundstück für seine Fahrzeuge, LKW, Opel P4, Adler Sportwagen sowie einem Opel-Motorrad eine Garage. Handschriftliche Aufzeichnungen auf der Innenseite der Garagentore bezeugten, dass hier vermutlich während des Krieges polnische Soldaten, eventuell Kriegsgefangene vorübergehend untergebracht oder sogar inhaftiert waren.

Im Jahre 1945 wurde Ways Georg (Jahrgang 1939) durch Erbfolge der neue Eigentümer der Immobilie, nachdem der Vater im Krieg gefallen war.

In dem Gebäude waren nach Kriegsende Flüchtlinge untergebracht:

Frau Sichort mit Sohn und Tochter,

Frau Binhak mit Tochter,

Frau Sporer mit Tochter sowie der Herr Goldmann

Anmerkung: 1950 meldeten die Erben von Max Stern aus Amerika bei der Wieder-gutmachungsstelle Oberbayern in München die Rückerstattung der Grundstücke und Häuser in München und „bei“ München an.

Nun begann für den damaligen Vormund von Georg Ways, dem Gemeindeschreiber, Hilfspolizisten und Großvater von Georg, Hainzl Kaspar, eine jahrelange Odyssee von Prozessen, Verfahren und Kosten. Für die Streitsache beauftragte er die renommierten Rechtsanwälte des Freiherrn von Godin aus München. Aus den Prozessakten geht hervor, dass schließlich nach vielen Jahren der gerichtlichen Auseinandersetzung die Rückerstattung des rechtmäßig von der Erbengemeinschaft Schmidt erworbenen Grundstücks sowie des Hauses Nr. 44 in der letzten Instanz – dem Obersten Rückerstattungsgericht (Dritter Senat) – am 12.11.1958 abgewiesen wurde. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Erben von Stern Max zwar Vermögenswerte exakt angegeben hätten (wie z.B. in München), das strittige Objekt in Moosinning sich jedoch nicht darunter befand. Außerdem sei die Anmeldung „bei“ München nicht ausreichend beschrieben, weil für Moosinning eben das Grundbuchamt und Amtsgericht Erding zuständig sei.

Im Jahre 1964 begann Georg Ways mit der Generalsanierung des zu der Zeit nicht mehr bewohnbaren Hauses. Eigentlich sollte das Gebäude einem Neubau weichen, wegen der bewegten Vorgeschichte des Anwesens entschieden sich die Eheleute Georg und Karin Ways jedoch zu einer sehr aufwändigen Renovierung. Das gesamte Gebäude wurde entkernt und das Dach neu gedeckt. Leider mussten auch die schadhaften Fresken auf der Südseite, wie das ganze übrige Haus, neu verputzt werden.


Jagdhaus, Luftbildaufnahme von 1959, links davon noch zu sehen das besagte Garagengebäude
Jagdhaus, Luftbildaufnahme von 1959, links davon noch zu sehen das besagte Garagengebäude


 
 
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